Rezension: »Wandernde Himmel« von Hao Jingfang

»Wandernde Himmel« von Hao Jingfang hat mich mit seiner Grundidee sofort gepackt. Die Vorstellung, zwei derart grundverschiedene Gesellschaftsformen, eine auf der Erde, die im Grunde genommen eine Fortsetzung des heutigen Zustands ist, sowie die der Kolonie auf dem Mars, die alles anders macht und viele Ideen umgesetzt hat, die heute als Gedankenspiele oder Utopien durch so manchen Kopf geistern, könnten sich parallel entwickelt haben, fand ich gleich spannend, und sie birgt mehr als genug Konfliktpotenzial.

So lernen wir am Anfang die junge Luoying kennen, die nach fünf Jahren auf der Erde auf den Mars, ihren Heimatplaneten, zurückkehrt. Dieser Schüleraustausch war eine Premiere, da sich der Mars und die Erde nach dem Krieg gerade erst wieder annähern. Die Jugendlichen werden nach den vielen neuen Eindrücken und Erlebnissen auf dem Mars in ein ziemliches Dilemma gestürzt, da sie nicht mehr wissen, wo sie hingehören oder was sie vom Leben erwarten sollen. Nachdem sie die prägenden Jahre auf der Erde verbracht haben, stellen sie vieles, was sie von früher auf dem Mars gewohnt waren, in Frage, und auch Luoyings Großvater, der Generalgouverneur von Mars City, scheint einiges vor seiner Enkelin zu verbergen …

Der Roman kann vor allem durch seine interessanten Ideen und seine zeitweise sehr blumige und wunderschöne Sprache punkten, aber er macht es einem nicht leicht. Nach dem faszinierenden Einstieg verzettelt sich die Autorin ein wenig und das Buch wird stellenweise langatmig und (mir) zu philosophisch. Das muss man schon mögen …

Aber im Großen und Ganzen hat mir der Roman gut gefallen. Er haut einen nun mal nicht mit Spannung und Action vom Hockern, sondern erzählt seine Geschichte ruhig und gemächlich, und die an manchen Stellen einfach wunderschöne Sprache (ich kann kein Chinesisch, gehe aber mal davon aus, dass Marc Hermann das Buch geschickt ins Deutsche übertragen hat) trägt ebenso wie die vielen Ideen, die einen zum Nachdenken anregen, dazu bei, dass man trotz der langatmigen Stellen weiterliest.

Zwei Gesellschaften und eine große Frage:

Wie wollen wir leben?
2096: Die Erde hat eine Kolonie auf dem Mars gegründet, um neuen Lebensraum zu erschließen. Doch die will unabhängig sein: Während die Mars-Bewohner den Raubtierkapitalismus der Erde verdammen, halten die Erdenmenschen den roten Planeten für ein System unkontrollierter Alleinherrschaft. Zur Verständigung zwischen den Völkern sendet der Mars hundert Jahre später einige Jugendliche auf die Erde – darunter auch die kürzlich verwaiste Luoying, eine Enkelin des Mars-Machthabers. Ihr Bruder bleibt zurück. Fünf lange Jahre dauert es, bis die nun erwachsene Frau den loyalen und erfolgreichen Rudy in der roten Heimat wiedersieht. Die Weltenwanderin Luoying muss sich entscheiden: Für oder gegen das starre System – mit möglicherweise tödlichen Konsequenzen nicht nur für sie selbst.
Zwei Welten und ein großer Roman: Die preisgekrönte Autorin aus China.

Über die Autorin

Hao Jingfang, geboren 1984, gewann bereits 2002 ihren ersten Literaturpreis. Doch den Studienplatz, den ihr die Chinesisch-Fakultät der Peking-Universität reservierte, lehnte sie ab. Stattdessen studierte sie Physik und machte ihren Ph.D. in Wirtschaftswissenschaften. Seit 2006 publiziert sie regelmäßig in chinesischen Zeitschriften und arbeitet inzwischen beim Thinktank China Development Research Foundation. Ihre unterschiedlichen Wissensbereiche kommen in ihrem Schreiben aufs Fruchtbarste zusammen: Für ihre Erzählung «Peking falten» erhielt sie 2016 den Hugo Award, einen der wichtigsten Preise für Science-Fiction-Literatur – nach «Die drei Sonnen» von Bestsellerautor Cixin Liu erst der zweite Text aus China, dem das gelang. Hao Jingfangs Bücher verkauften sich in China über eine Million Mal.

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Weitere Informationen findet ihr bei Rowohlt, Buch7, Amazon und natürlich dem Buchhändler eures Vertrauens (beispielsweise unter https://mybookshop.shop-asp.de, https://www.genialokal.de, im Otherland oder im Drachenwinkel).

Außerdem könnt ihr auch noch online in eine Leseprobe reinschnuppern, um euch einen ersten Eindruck zu verschaffen.

Bibliografie

  • Verlag:  rororo
  • Erscheinungstermin:  25.09.2018
  • Lieferbar
  • 752 Seiten
  • ISBN:  978-3-499-27418-3
  • übersetzt von: Marc Hermann
  • Deutsche Erstausgabe

Ich bedanke mich beim Verlag für das Rezensionsexemplar. Die unentgeltliche Bereitstellung des Buches hat meine Meinung in keiner Weise beeinflusst.

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  1. karin

    Hallo liebe Kerstin,

    Danke für den Blick über den Tellerrand …LG..Karin..

  2. Vielen Dank für deine tolle Rezension. Obwohl es nicht ganz meinem Lieblingsgenre entspricht, werde ich es auf meine WuLi setzen.
    Liebste Grüße
    Nadine

    • Wortspielerin

      Es ist ja kein typischer Scifi, aber man muss die gemächliche Erzählweise schon mögen. Ich bin gespannt, wie es dir gefällt.
      LG Kerstin

  3. Ich habe das Buch ungefähr zur Hälfte durch und mir fehlt da irgendwie etwas, außerdem ist es nichts weiter, als ein Kampf zwischen Kommunismus und Kapitalismus, während die eigentlich unterschiedlichen Begebenheiten auf Mars und Erde, also die Science-Fiction Elemente kaum behandelt werden. Deswegen habe ich, obwohl ich das Buch schon vor einiger Zeit begonnen habe, noch nicht weitergelesen.

    #litnetzwerk

    • Wortspielerin

      Stimmt, es ist kein typischer Scifi, und ich hatte auch völlig andere Erwartungen an das Buch. Finde es aber auch nicht schlimm, irgendwann einfach abzubrechen, denn wenn einem die Geschichte nichts gibt, findet man noch genug andere, an denen man mehr Spaß hat.

  4. Klingt schon sehr interessant, grad von der Ausgangssituation her. Aber bei so einem großen Seitenumfang muss mich die Geschichte schon fesseln und daher verzichte ich lieber.

    • Wortspielerin

      Besonders fesselnd war der Roman jetzt nicht unbedingt … 😉
      Da würde ich dir auch eher zu einem anderen Titel raten.

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